Das Schleswiger Kaltblut ist ein im Norden von Deutschland beheimatetes mittelschweres Kaltblutpferd von mittlerer Größe, das Stockmaß liegt zwischen 154 - 162 cm. Die nicht zu kurzen Gliedmaßen haben trockene, starke Gelenke, mit mäßigem Kötenbehang und große, runde Hufe von guter Qualität. Der Rücken soll kurz und kräftig mit einer gut bemuskelten, leicht abfallenden Kruppe sein. Der Kopf ist kurz und trocken mit einer breiten Stirn und geradem Profil, der Hals ist gut aufgesetzt. Der Schleswiger ist ein leistungsfähiges, rundrippiges, futterdankbares Kaltblutpferd mittleren Rahmens mit raumgreifenden Schritt- und Trabbewegungen. Die Fuchsfarbe ist bei dieser Rasse dominierend, vereinzelt kommen Rappen, Schimmel und Braune vor. Das Schleswiger Kaltblut zeichnet sich durch seine Lernwilligkeit und gute Umgänglichkeit, eine hohe Zugleistung und Wendigkeit, sowie durch seine Ausdauer und Genügsamkeit aus.
Geschichte des Schleswiger Kaltbluts auf Gut Kamp
Gut Kamp und die Namen Jürgen und Thomas Isenberg sind für jeden Kaltblutzüchter ein Begriff. Jürgen Isenberg war der erste, der sich züchterisch in der Schleswiger Zucht betätigt hat. Doch das Interesse an der väterlichen Pferdezucht ist schon sehr früh auf Thomas Isenberg übergegangen. Schon im Alter von neun Jahren hat Thomas Isenberg vierspännig die Felder beackert, Treckerfahren lernte er hingegen erst mit 17.
Das Schleswiger Kaltblut, früher auf jedem Bauernhof vertreten, ist seit rund 40 Jahren davon bedroht von der Bildfläche zu verschwinden. Noch in den 50er Jahren zählte der Verband Schleswiger Pferdezüchter ca. 25000 eingetragene Stuten und 450 Hengste. Aber mit Beginn der Motorisierung begann die Tragödie aller Kaltblutrassen. Den Schleswiger hat es aber besonders getroffen. In ganz Europa ist wohl kaum eine Rasse so nahe an den Abrgund gebracht worden. Zu zigtausenden gingen die Pferde in die Schlachthöfe. Der Schleswiger hatte die Zuneigung der Bauern und der Politiker verloren. Innerhalb von 20 Jahren sank der Bestand auf 35 Stuten und einen Hengst und war damit fast ausgestorben. Ein trauriges Kapitel für unser Land Schleswig-Holstein und auch für die Landwirtschaft in der dieses Pferd überwiegend zu Hause war. Für uns ist es schwer nachzuvollziehen, wie die Landwirte sich so radikal von diesen Pferden trennen konnten, die doch über viele Generationen die Grundlage allen Wirtschaftens waren, denn sie waren außer Holz, Torf und Kohle die einzige Energiequelle und der Stolz eines jeden Hofes. Wenn dies schon für uns schwer verständlich war, dann gab es jemanden, der das noch viel weniger verstehen konnte. Denn diese Rasse, genauer gesagt die Schleswiger Wallache Max und Racker, haben ihn durch den Rußlandfeldzug gebracht. Damals schwur er sich: "Wenn ich diesen Krieg überlebe, züchte ich Schleswiger!" Viele von Ihnen kennen ihn, hier zu sehen in einer typischen Pose mit Peitsche - Jürgen Isenberg.
Jürgen Isenberg hat unbestritten die Schlüsselrolle bei der Erhaltung des Schleswiger Kaltbluts übernommen und hat ohne Rücksicht auf kurzfristiges wirtschaftliches Denken und gegen erhebliche Widerstände, nicht zuletzt aus der eigenen Familie, das völlige Aussterben dieser Kaltblutrasse, die eigentlich auch ein Ansehen als Kulturgut verdient hätte, verhindert.
Um der Inzucht entgegen zu wirken, bzw. "frisches Blut" in die Population zu bringen, beschloß Jürgen Isenberg einen Jütländer Hengst zu importieren. 1977 kam der Jütländer Hengst "Odin" nach Gut Kamp. Dieser vielversprechende Hengst sollte die Schleswiger Zucht retten. Und so war es auch - Odin war ein voller Erfolg. Mit Ausnahme von Hufmängeln hat er uns sehr gute Nachkommen beschert. Hierdurch ermutigt wurden noch weitere Hengste aus Dänemark importiert. Es wurden aber bald viele Mängel bei den Nachkommen deutlich: schlechte Hufe, Mauke und was noch schlimmer war - große Charaktermängel und es wurde klar, dass wir uns nach besserem Zuchtmaterial umsehen mussten. Und somit unternahm Thomas Isenberg 1986 einen aus heutiger Sicht sehr wichtigen Zuchtversuch mit der Rasse Süddeutsches Kaltblut. Dabei kam ihm der Zufall zu Hilfe. Auf der DLG Schau in Hannover, an der er mit einigen Pferden teilnahm, konnte Thomas Isenberg die Schleswiger Stute "Ammer" mit dem Süddeutschen Kaltbluthengst "Velour" anpaaren. Ein wunderschöner, glattbeiniger, großrahmiger und vor allem nervenstarker Hengst. Die damalige Zuchtleitung genehmigte Thomas die Anpaarung und nach 11 Monaten wurde ein Hengstfohlen geboren, welches vom ersten Tag an durch Ausstrahlung, Schönheit und Intelligenz bestach: Sein Hengst "Enzian".
Diese Einkreuzung mit Süddeutschen Kaltblut ist für unsere Zucht von großer Bedeutung gewesen. Wir haben heute glattbeinige Pferde mit guten Hufen, kaum Mauke und bester Arbeitswilligkeit, was sie beim täglichen Einsatz im Forst und im Fahrgeschirr beweisen und viele Erfolge auf Körungen und Zuchtschauen werden Enzians Nachkommen zuteil, wie z.B. Enzians Sohn und Thomas Isenbergs geliebter Hengst "Regent". Regent ist ein echtes Ausnahmetier! Er besticht nicht nur durch sein harmonisches Exterieur und seinen besonders edlen Kopf, sondern vor allem durch seinen ausgeglichenen, ruhigen Charakter und seine außerordentliche Intelligenz. Er ist, wie die Züchter sagen, kein "Trampeltier", sondern ein Pferd, das bei der Arbeit mitdenkt. Dieses Pferd hat Thomas unendlich viel Freude bereitet. Ein Pferd, das kaum Pflege bedarf und so viel zu leisten vermag, seine Arbeitswilligkeit, seine Klugheit und seine Treue reichen für zwei. In vielen Jahren haben Thomas und Regent tausende von Festmetern im Wald gerückt und es gab kaum eine Situation, die der Hengst nicht zu meistern wusste.
Die Situation heute
Auf Gut Kamp stehen derzeit drei gekörte Deckhengste: Regent, Wächter, der Süddeutsche Kaltbluthengst Donatus. Neben den Hengsten stehen in Kamp sechs Zuchtstuten für unsere züchterischen Bemühungen zur Verfügung. Alle weiteren Pferde werden bei uns als Arbeitspferde eingesetzt und dürfen so ihrer eigentlichen Bestimmung gerecht werden, denn der Schleswiger arbeitet gern! Wir bemühen uns sehr, die Zucht weiterhin aufrecht zu erhalten. Der jetzige Schleswiger-Bestand in Schleswig-Holstein liegt bei ca. 200 eingetragenen Stuten und 30 Hengsten. Eine immer noch bedrohliche Situation. Diese Zahlen entsprechen nicht mal 1% des Bestandes von 1955. Wie kann man also eine Rasse mit einer solch kleinen Population aufrecht erhalten? In unseren Augen kommt nur die Fremdblutzufuhr in Betracht. Eine Reinzucht könnte zum Zusammenbruch der Zucht führen. Renomierte Wissenschaftler geben als Mindestbestandteil für Reinzuchtprogramme 1000 Stuten an, die Hochschule Wien meint sogar 3000 Stuten wären nötig. Laut Zuchtprogramm sind zur Blutauffrischung Vatertiere der Rassen Jütländer, Boulonais und Süddeutsches Kaltblut zugelassen. Der Jütländer scheidet aus den schon erwähnten gravierenden Qualitätsmängeln aus. Ebenso der französische Boulonais, da diese Rasse sich ganz auf die dort schon immer vorherrschende Schimmelfarbe ausgelegt hat und keine brauchbaren Fuchsvererber mehr zu finden sind. Bleibt nur noch das Süddeutsche Kaltblut. Es scheint aber nicht ratsam Blutauffrischungen nur mit einer Rasse zu betreiben, da sonst eine zu starke Typenprägung erfolgen könnte. Es bleibt also keine andere Wahl, als mindestens eine weitere Rasse zu zulassen. Als weiteres Mittel zur Erhaltung der genetischen Vielfalt, lässt der VSP Samen von Hengsten aller noch vorhandenen Linien einfrieren, um so den weiteren Genverlust zu verhindern.
Möglichkeiten des Pferdeeinsatzes heute
Wie schon oben erwähnt, waren die Schleswiger die Grundlage für die gesamte Urproduktion in der Landwirtschaft und im Transportwesen. Ein Einsatz in diesen Bereichen ist aus heutiger Sicht nicht mehr möglich. Es scheint heute das Heil darin zu liegen den Produktionsfaktor Arbeit weitmöglichst in den Produktionsfaktor Kapital zu überführen. Es ist aber immens wichtig den Kaltblütern Einkommensmöglichkeiten zu erschließen. Und es gibt heute noch Bereiche in denen Pferde sinnvoll eingesetzt werden können, wenn Fantasie und die Bereitschaft zu körperlicher Arbeit und langen Arbeitstagen vorhanden sind. Nennen möchten wir hier den Einsatz im Tourismus, in Baumschulen, in der Biotoppflege und in der Forstwirtschaft. Für den Einsatz in diesen Bereichen ist der Kaltblüter prädestiniert.
Zum Schluss möchten wir an alle pferdeinteressierte Menschen appellieren, dieses alte Kulturgut Schleswig-Holsteins zu unterstützen und falls ein Pferdekauf ansteht, sich einfach mal für den Schleswiger zu interessieren.